Rund um das Thema Rhetorik und öffentliches Sprechen halten sich hartnäckige Mythen – so hartnäckig wie Kernölflecken auf Stoff.
In diesem Blogartikel möchte ich mit fünf typischen Irrtümern aufräumen, die ich immer wieder höre. Weil sie viele ausbremsen.
Auch bekannt unter dem Titel: „Entweder du kannst es oder du kannst es nicht.“
Hast du den Film The Kings Speech gesehen?
Darin geht es um den britischen König George VI, der mit Hilfe eines einfühlsamen Therapeuten sein Stottern überwindet.
Der Film zeigt sehr schön, dass man nicht zum Redner geboren sein muss, sondern es durch Training und Übung lernen kann.
Rhetorik ist ein Handwerk, das jeder erlernen kann.
Gibt es besonders talentierte Redner? Ja, die gibt es, und gleichzeitig bin ich fest davon überzeugt, dass an einem bestimmten Punkt der Fleiß das Talent überholt.
Früher habe ich das anders gesehen. Carol Dweck und ihr Buch Mindset haben mir da eine ganz neue Perspektive eröffnet. Ich kann es wärmstens empfehlen. Denn deine Lern-Haltung und damit deine Einstellung zum Lernen ist entscheidend für den Lern-Erfolg.
Wenn du daran zweifelst, dann versuch es: Besuch einen Rhetorikkurs. Was hast du zu verlieren? Entweder du behältst Recht oder du gewinnst eine Fähigkeit dazu.
Tja, für alle die sich diese Lüge selbst erzählen: Noch mehr Druck kann man sich selber wohl kaum machen.
Susann Jeffers schreibt in ihrem Buch „Selbstvertrauen gewinnen“ (eines der besten Bücher, die ich über Angst gelesen habe): Die Angst geht nie ganz weg. Erfolgreiche Menschen lernen, mit ihr umzugehen. Trotz Angst zu handeln, denn Handeln gibt Kraft.
Viele große Redner, Schauspieler, Sänger haben immer noch Lampenfieber – auch wenn es vielleicht schon der hundertste Auftritt ist. Lies Biografien, schau Dokumentationen an, hör Interviews mit großen Persönlichkeiten an. Sie sprechen auch darüber.
Ich finde Lampenfieber ist etwas sehr Positives. Es zeigt, dass es dir wichtig ist. Ich begrüße mein Lampenfieber mit einem herzlichen Lächeln. Weil ich weiß, dass mir mein Lampenfieber hilft ganz präsent zu sein, im Hier und Jetzt.
Natürlich ist es nicht gut, wenn die Angst überhand nimmt und man bei einem Auftritt einen roten Kopf und weiche Knie bekommt. Aber damit kann man umgehen lernen, es gibt Strategien, die einem helfen in genau diesen Situationen Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen. Genau das vermittle ich in meinen Rhetorikkursen und Einzeltrainings.
Wenn ich in meinen Rhetorikkursen sage, dass Lampenfieber etwas Gutes ist, sagen die Teilnehmer oft mit gerunzelter Stirn: „Aber dann sehen doch alle, wie nervös ich bin und das wirkt gar nicht souverän.“
Deshalb geben die Teilnehmer in meinen Rhetorikkursen immer Rückmeldung zu den einzelnen Vorträgen, Reden und Präsentationen der anderen Teilnehmer. Dafür bekommen die Teilnehmer einen Feedbackbogen, worauf sie achten sollen: Körperhaltung, Aussprache, Lautstärke – um nur einige Punkte zu nennen.
Warum mache ich das? Das hat einen einfachen Grund: Ein zentrales Element in jedem Rhetorikkurs ist aus meiner Sicht: der Abgleich von Selbstbild und Fremdbild.
Denn wir haben oft einen sehr kritischen Blick auf unseren Auftritt. Viele denken: „Oje, jeder sieht wie nervös ich bin“.
Aber dann ist es gar nicht so. Die Wahrnehmung des Publikums ist ganz anders. Deshalb ist es so wichtig, dass du dir Rückmeldung holst.
Wir selbst sind wir unsere schärfsten Kritiker. Und manchmal haben, wir dann das Gefühl, dass alle anderen uns genauso kritisch betrachten. Aber in der Regel zieht niemand so eiskalt Bilanz über den eigenen Leistung, wie man selbst.
Viele gehen von der Bühne und drehen den inneren Kritiker auf volle Lautstärke: „Das war furchtbar, da habe ich mich verhaspelt, da habe ich einen Fehler gemacht, bla bla bla …“
Und dann passiert ein fatalen Denkfehler: Sie glauben, das Publikum sei genauso kritisch. Das ist aber Quatsch. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass das Publikum einem wohlgesonnen ist.
Und für die Selbstkritik habe ich eine tolle Idee von Louise Hay übernommen, die ich immer anwende, wenn ich etwas Neues mache.
„Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Vortrag. Als ich das Podium verließ, sagte ich sofort zu mir: „Louise, du warst toll. Du warst absolut fantastisch fürs erste Mal. Beim fünften oder sechsten Mal wirst Du ein Profi sein.“
Ein paar Stunden später sagte ich zu mir: „Ich meine, dass wir ein paar Dinge ändern können. Lass uns dies oder das hinzufügen.“ Ich lehnte jede Art von Selbstkritik ab.“ (Quelle: Louise L. Hay, Gesundheit für Körper & Seele)
Was für eine schöne Art mit sich selbst zu sprechen.
Oder anders gesagt: Es muss perfekt sein.
Ach, das mit dem „Perfekt sein“ ist so ne Sache: Denn ich kenne viele, die fangen gar nicht erst an, weil es erst perfekt sein muss.
Vielleicht bist du auch schon mal in die Perfektionsmus-Prokrastinations-Falle getappt.
Reden lernt man durch reden. Aber dafür muss man sich erlauben zu reden.
Greg McGeown schreibt in seinem Buch Effortless: Wenn du schnell etwas neues lernen willst, erhöhe deine Fehlerquote. So lernst du am schnellsten, weil du ins Tun kommst. Und weil wir aus Fehlern unglaublich schnell und viel lernen.
Was für ein spannender Impuls.
Dann kann ich dir noch aus eigener Erfahrung sagen: Da ein Versprecher, dort verhaspelt, mal rückwärts statt vorwärts bei der PowerPoint gedrückt, ein Rechtschreibfehler auf der Flipchart – alles schon passiert. Und? Ich bin immer noch da. Nicht im Erdboden versunken. Nicht ausgebuht worden.
Weißt du, Menschen vergessen kleine Fehler schnell. ABER was sie sich merken ist die Wertschätzung, die du ihnen entgegen gebracht hast.
Vorbereitung = Wertschätzung.
Für das Publikum auf die Bühne zu gehen und zu geben = Wertschätzung.
PowerPoint Karaoke zu spielen ist es nicht.
Kennst du noch weitere Mythen zu diesem Thema? Dann schreibe sie mir in die Kommentare.
© Helena Aberger 2024
Minitraining für 0 Euro